Mittwoch, 7. April 2010

Das Leben als Comicautor: Ralph Ruthe

Seit letztem Mai ist mycomics.de online, und es stehen jetzt so ungefähr 900 Verlags- und Usercomics auf der Seite. Um auch das Leben hinter den Comicfiguren zu zeigen, gibt es eine neue Interviewreihe, in der verschiedene deutsche Comickünstler porträtiert werden. Zum Start der Reihe haben wir Ralph Ruthe interviewt.



Hausbesuch bei Ralph Ruthe

Ralph Ruthe wurde 1972 in Bielefeld geboren. Bereits während seiner Realschulzeit suchte er Kontakt zu vielen deutschsprachigen Comiczeitschriften. 1998 begann Ruthe für die deutsche Ausgabe des MAD-Magazin zu zeichnen. Bis 2001 war er fester Mitarbeiter der Neuen Westfälischen in Bielefeld, danach wurde er freier Comicautor, -zeichner und -texter. Bis heute hat Ruthe an weit mehr als 5000 Seiten Comics und Cartoons mitgearbeitet.

Wann hast du mit dem Zeichnen angefangen?
Ich habe gezeichnet von dem Moment an, in dem ich einen Stift halten konnte.

Woran arbeitest du gerade?
Ich arbeite täglich an meiner Cartoonserie „Shit happens“, weil ich da mindestens 4x die Woche für Nachschub auf ruthe.de sorgen muss und möchte. Außerdem läuft die Serie in einigen Zeitschriften, die brauchen auch regelmäßig Nachschub. Ein Mal die Woche produziere ich zudem einen „Frühreif“-Comicstrip. Zusätzlich sitze ich momentan wieder an einem neuen Trickfilm, der hoffentlich bald seine Premiere auf youtube feiern wird. Bis Mai muss ich übrigens auch die Daten für ein neues Weihnachts-Cartoonbuch abgeben. Dafür fehlen mir noch 15 Gags und eine Illu. Ich wollte mir das Material dafür eigentlich ausdenken, solange noch Schnee lag. Jetzt wird es immer schwerer, in die Stimmung zu kommen. Klappt aber.



Woher bekommst du deine Ideen? Eher spontane Eingebungen oder hast du eine bestimmte „Grübelphase“?
Zu 99% ist es erarbeitet – also die „Grübelphase“. Es kommt schon immer mal vor, dass mir spontan auf der Kaufhausrolltreppe eine Wahnsinnsidee durch den Kopf schießt, einfach so. Aber die Fälle, in denen diese Ideen den Weg ans Licht der Öffentlichkeit geschafft haben, lassen sich wirklich an zwei Händen abzählen. Glücklicherweise fällt mir auch immer etwas ein, wenn ich eine Idee brauche. Aber das ist ja auch der Grund, warum ich überhaupt Cartoonist werden wollte – weil ich Ideen hatte, die ich umsetzen wollte. Es ist ja keiner zu mir gekommen und hat gesagt „Los, Ruthe, du machst das jetzt!“. Es ist mein Traumberuf und deswegen mache ich ihn! Ich bin z. B. total unsportlich. Niemals könnte es daher mein Traum sein, Profifußballer zu werden. Von daher verstehe ich gar nicht, wieso Leute Cartoonist werden wollen, denen das Erarbeiten von Ideen schwer fällt.

Was war der bisherige Höhepunkt deiner Karriere?
Ich würde nicht sagen, dass es EINEN Höhepunkt gab. Gleichbedeutend wichtig waren für mich der Gewinn des ersten Sondermann-Preises, meine erste Live-Tour „Mädchen Monster Missgeschicke“ mit Christian Moser und Flix und der Sieg beim Kurzfilmfestival „Going Underground 7“. Aber der Moment, als ich den ersten Scheck für mein erstes verkauftes Story-Skript in der Hand hielt, der war auch magisch – ich war grade mal 14 Jahre alt. Außerdem werde ich nie den Augenblick vergessen, als ich den Karton mit den Belegexemplaren meines ersten Albums „Schweinskram“ öffnete. So geil!



5. … und was war der Tiefpunkt?
Eine Signierstunde vor 6 Jahren in Hamburg, zu der KEIN Mensch gekommen war. Heute finde ich das rückblickend schon wieder ganz witzig. :-)

6. Wie sieht ein normaler Wochentag bei dir aus? Wie viel Zeit verbringst du mit Zeichnen?
Normale Arbeitstage gibt es nicht. Und das Ganze in einen Zeitrahmen zu pressen ist leider unmöglich. Ich kann aber sagen, dass ich jeden Tag, inklusive Samstag und Sonntag, arbeite. Und zwar rechnerisch zwischen 8 und 10 Stunden. Manchmal denke ich mir nur Gags aus, manchmal zeichne ich nur, manchmal coloriere ich ausschließlich, manchmal sitze ich den ganzen Tag im Tonstudio und produziere die Soundspur für einen meiner Trickfilme. Manchmal gibt es Tage, an denen ich von allem etwas mache. Die einzige Konstante ist: morgens checke ich bei einem Espresso meine Mails und lese Spiegel online.


(So sieht er aus -- der Arbeitsplatz von Ralph Ruthe)

7. Wenn du nicht zeichnest, was machst du sonst so?
Filme und Serien gucken, Musik – hören und machen, Freunde treffen, Freunde in anderen Städten besuchen, Konzerte, Essen gehen.

8. Wenn du dich für eine Woche in eine Comicfigur verwandeln könntest, wer wärst du dann und warum?
Das Marsupilami. Aus offensichtlichen Gründen.

9. Du hast es als einer der wenigen deutschen Comic-Künstler geschafft, von deiner Kunst leben zu können. Was ist dein Geheimnis?
Keine Ahnung, ob man definieren kann, woran das liegt. Aber ich bin ganz sicher fleißig. Und: ich WILL das, was ich mache, wirklich machen. Von ganzen Herzen. Bei anderen Dingen, die mir in meinem Leben nicht so gelungen sind, musste ich mir im Nachhinein eingestehen, dass ich sie auch nicht 100%ig gewollt habe.

10. Was empfiehlst du also Nachwuchskünstlern, die vielleicht gerade eine Zeichnerkarriere anstreben?
Üben! Ganz viel Üben! Kritikfähigkeit und Offenheit finde ich zudem wichtig.
Ich bin außerdem ein großer Netzwerker. Wenn ich Leute kennenlerne, die etwas gut können, was ich nicht drauf habe, dann baue ich Kontakt zu ihnen auf und versuche sie und ihre Arbeitsweise kennenzulernen. Ich versuche, ständig Neues zu lernen und nicht stehenzubleiben. Wenn ich zurückschaue auf die letzten Jahre kann ich sagen, dass ich mich sehr weiterentwickelt habe. Für mich ist das ein gutes Gefühl. Das beste! Kann ich nur weiterempfehlen.

11. Welchen deiner Kollegen schätzt / magst du am liebsten (in Sachen Kunst).
Viele werden wissen, dass ich eng befreundet bin mit Joscha Sauer und Flix. Wir hängen miteinander rum, arbeiten zusammen (weil wir die Arbeit des jeweils anderen eben sehr schätzen) und können uns auch als Kumpels gut leiden. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber es gibt auch Kollegen, die nicht aus dem Cartoon-/Comic-Bereich kommen und deren Arbeit ich super finde. Dazu zählt unter anderem Dieter Nuhr.



12. Warum haben es speziell Comics so schwer in Deutschland, zum Beispiel im Vergleich zum francobelgischen Raum oder den USA?
Ich finde gar nicht, dass das so ist. Ich meine, warum vergleichen wir nur mit Frankreich oder den USA? In Deutschland gibt es seit Jahrzehnten einen Markt für Comics. Der war mal größer, mal kleiner, aber immer existent. In jeder größeren Stadt gibt es Comicläden (meine Heimatstadt Bielefeld hat z. B. drei!!!), Leute wie Moers, König und auch Joscha werden hier als Stars gefeiert und auch ich kann mich über Fan-Feedback und Medien-Interesse an meiner Arbeit beim besten Willen nicht beklagen. Ich stoße auch ausschließlich auf Menschen, die es spannend finden, wenn sie erfahren, dass ich Comiczeichner bin, und mehr darüber wissen wollen. Außerdem finde ich es sensationell, in einem Land zu leben, in dem man von diesem Beruf leben KANN! Auch wenn es nicht hunderte von Künstlern sind, die das geschafft haben – aber es geht! Das ist nicht selbstverständlich. Von daher weiß ich wirklich nicht, warum immer wieder gejammert wird, Deutschland sei kein Comicland. Tut mir leid, ich sehe das nicht so.

13. Was wärst du geworden, wenn es mit dem Zeichnen nicht geklappt hätte?
Komiker.

14. Eine Welt ohne Comics/Cartoons wäre für dich … ?
Um eine wertvolles Medium ärmer.

Danke für das Interview!

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Mehr von und über Ralph Ruthe
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1 Kommentar:

  1. Ich hab auch mal ein Interview mit Ralph gemacht, deswegen bin ich auf dieses gestoßen, toll. Bei mir sagt er das er 8-10 Stunden am Tag zeichnet, heftig oder? Das muss man sich mal vorstellen.

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